Anton Radev reiste als Profi durch die Welt, heute trainiert er den Nachwuchs von Blau-Gelb – Ein Porträt von Markus Kaminski
„Das war schon ganz gut…“
Anton Radev ist ein bescheidener Typ. Ein Star sei er nie gewesen: „Ich war eher Mittelmaß, ja – mit Talent.“ Für den richtigen Durchbruch hat halt ein wenig gefehlt, sagt er und lächelt dabei. „Vielleicht war ich einfach zehn Zentimeter zu klein.“ Als er Anfang der 1990er Jahre in die Tour einsteigt, beherrschen baumlange Kerls das Welt-Tennis. Becker, Ivanišević, Stich – alle mindestens 1,90 Meter. Die prügeln die Bälle durch den Court, gewaltige Aufschläge, große Reichweite. Toni ist gut einen halben Kopf kleiner (1,75 Meter). Wer körperlich an die starken Gegner nicht ran reicht, muss mit feiner Klinge kämpfen.
Das hat Toni in Plovdiv gelernt. Plovdiv ist so etwas wie die Tennis-Hauptstadt Bulgariens: Hier werden die Davis Cup-Partien ausgetragen und hier gibt es auch heute noch das größte Tennis-Leistungszentrum des Landes. Wer 1975 in Bulgarien Tennis spielt, ist nicht privilegiert. Der Regierung liegt die Förderung der prestigeträchtigen olympischen Disziplinen mehr am Herzen, dennoch sind die Bedingungen für Tennisspieler gut. Toni ist sieben Jahre alt, als er zum ersten Mal einen Schläger in die Hand bekommt. Es ist ein Aluminum-Rahmen aus einem sozialistischen Bruderstaat. Er ist begabt und er ist fleißig, trainiert viel. Zunächst nach der Schule, später auf dem Sport-Gymnasium: zweimal Training täglich. Zwar ist er kleiner als die anderen, aber er hat nicht nur Biss: schnell ist er, hat eine exzellente Beinarbeit und ein ganz feines Händchen. Sechs Jahre in Folge wird er bulgarischer Jugendmeister.
Mit 18 Jahren gewinnt er auch mit der Mannschaft die bulgarische Meisterschaft. Er spielt im Team von ZSKA Sofia. Hier, an der Hochschule in der bulgarischen Hauptstadt, legt er zwei Jahre später sein Diplom zum Tennislehrer ab (1989). Er trainiert unter professionellen Bedingungen, gehört zur Davis Cup-Mannschaft und spielt sein erstes ATP-Turnier in Palermo. In den folgenden vier Jahren reist er durch die ganze Welt: Er steht im Halbfinale des Challengers in Kairo, schlägt in Taschkent auf genauso wie in Casablanca, Johannesburg oder Marseille. Hier sieht man die Spieler aus den Top-Ten der Weltrangliste nicht so häufig, eine Begegnung gibt es aber doch: In Rimini trifft Toni 1993 auf den Tschechen Petr Korda. Der hatte im Vorjahr überraschend das Finale der French Open erreicht und war so Ende 1992 in der Weltrangliste auf Platz sieben geklettert. Toni verkauft sich teuer, aber am Ende zieht Korda mit 6:4 und 6:2 dann doch ungefährdet ins Viertel-Finale ein.
In diesem Jahr wird man auch in Frankreich auf Toni aufmerksam. Zunächst heuert er in Paris für die erste Liga an. Er spielt an der Seite der französischen Davis Cup-Legende Arnaud Boetsch (beste ATP-Position: 12), auch Therry Champion (ATP 44) und Tarik Benhabiles (ATP 22) gehören zum Team. 1994 wechselt Toni nach Bordeaux in die zweite französische Liga und beginnt an der Uni in Sofia ein zweites Studium: Betriebswirtschaft. Der bulgarische Verband ernennt ihn zeitgleich zum Jugend-Nationaltrainer. Hier trainiert er die U16- und U18-Mannschaften, bis er 1998 nach Deutschland wechselt.
Das Tennis in Deutschland erlebt in diesen Jahren eine zweite Welle: Die Kinder des Becker-Booms sind erwachsen geworden und in der Breite wird selbst in den niedrigen Ligen gutes Tennis gespielt. Viele Vereine verpflichten Ausländer, um sich aus der Bedeutungslosigkeit zu spielen. Toni hingegen kommt es auf eine langfristige Perspektive an. Insgesamt wird er acht Jahre Trainer beim TC Rentfort in Gladbeck sein. Er wird Stadtmeister in der offenen Klasse und später auch Westfalenmeister (2004) bei den Herren 30. Und in Gladbeck verliert er zum letzten Mal ein offizielles Match: 2003 trifft er in der Bezirksliga bei den Herren auf einen Spieler aus Australien…
In den vergangenen zehn Jahren hat Toni ein einziges Spiel verloren. Bei den Stadtmeisterschaften 2013 musste er im Halbfinale wegen einer Entzündung im Arm beim Stand von 4:2 aufgeben. Sonst war es natürlich auch schon ein paar Mal eng, aber am Ende hat es bislang immer gereicht: Toni ist bei den Herren 40 zig Mal Bottroper Stadtmeister im Einzel und im Doppel geworden. „Ich verliere nicht gern“, sagt er auch schon Mal mit einem breiten Grinsen, wenn er in einer Trainingseinheit gegen seinen Schüler einen unmöglichen Ball aus dem Hut zaubert. Toni ist Trainer mit Leib und Seele. Er fordert seine Schützlinge und immer dann, wenn ihnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten ein fantastischer Ball gelungen ist, ruft er von der anderen Seite des Platzes: „Das war schon ganz gut…“ Das klingt irgendwie nach „könnte besser sein“, ist aber genau das, was es sein soll – ein ernst gemeintes Kompliment.